Leitartikel „Vom Krisenmodus zum Krisenfall“ vom 27.02.2020 von Peter Nindler
Leitartikel „Vom Krisenmodus zum Krisenfall“ vom 27.02.2020 von Peter Nindler
Innsbruck (OTS) – Mangelnde politische und wirtschaftliche Aufsicht manövrierten die Flüchtlingsgesellschaft Tiroler Soziale Dienste nahe an den Abgrund. Im Untersuchungsausschuss dreht sich die politische Aufarbeitung zwar im Kreis, aber sie pickt.
Von Peter Nindler
Verspricht die Politik, etwas besser zu machen, dann sollte sie das tunlichst einhalten. Die Ausgliederung der Tiroler Flüchtlingsagenden in eine eigene Gesellschaft wurde diesen Ansprüchen nicht gerecht. Die Flüchtlingskrise mit bis zu 9000 Asylwerbern und Flüchtlingen konnten die TSD zwar gut bewältigen, doch strukturell landeten sie einen Bauchfleck. So amateurhaft Entscheidungen in der Politik gefällt wurden, so unprofessionell erfolgte der Aufbauprozess der Flüchtlingsgesellschaft. Von Anfang an liefen die Tiroler Sozialen Dienste im Krisenmodus, bis sie selbst zum Krisenfall wurden und wirtschaftlich gerettet werden mussten.
Die Kontrolle durch Aufsichtsrat und Landesregierung beschränkte sich vielfach auf ein (nachträgliches) Abnicken. In dieser Orientierungslosigkeit von mangelnder politischer und wirtschaftlicher Aufsicht waren dann horrende Beraterleistungen („Coaching“) von rund 200.000 Euro für ein Sozialunternehmen möglich. Wie auch die Vertragsverlängerung von Ex-TSD-Geschäftsführers Harald Bachmeier mit der saftigen Gehaltserhöhung auf 10.600 Euro brutto im Monat. Dass es zu dieser Zeit im Frühjahr 2017 schon an allen Ecken und Enden krachte, weil sich die TSD als zu schwerfällig erwiesen, um auf die neuen Herausforderungen mit längst rückläufigen Flüchtlingszahlen zu reagieren, rundet das Dilemma ab. Ex-Sozialreferentin Christine Baur (Grüne) hat dies politisch zu verantworten. Das tut sie auch. Der Untersuchungsausschuss bringt dazu keine neuen Erkenntnisse, der Rechnungshof hat fast alles bereits vor zwei Jahren aufgezeigt. Trotzdem wird die Peinlichkeit augenscheinlich. Vor allem, wenn nach dem Beschluss über den Ankauf von sechs Quartieren in Holzbauweise für Flüchtlinge um 9,1 Millionen Euro sich fünf Jahre später keiner mehr daran erinnern kann, was daraus geworden ist. Auch so funktionierten die TSD, dermaßen leichtfertig ging die Landesregierung mit Steuergeld um. Krisenmodus hin oder her: 9,1 Millionen Euro sind schließlich kein Pappenstiel. Mit jeder Ausgliederung ist im Übrigen ein Kontrollverlust verbunden, am Beispiel der TSD konnte er beinahe lückenlos nachgewiesen werden. Egal, wie lange der U-Ausschuss noch dauern wird, am Ende steht jedenfalls ein neuer Sonderbericht des Landesrechnungshofs. Denn politisch ist alles gesagt – sowohl von der schwarz-grünen Regierung als auch von den Oppositionsparteien. Was das operative Geschäft der TSD betrifft, aber noch nicht.
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